Meine Erfahrung mit Audiojungle
Ende 2019 habe ich eine Art Experiment gewagt und habe ein Profil auf der Content-Plattform Audiojungle angelegt. In diesem Post möchte ich meine Erfahrungen teilen und zugleich dazu meine Meinung äußern. Vorweg genommen und zusammengefasst: Audiojungle stellt Quantität über Qualität und agiert intransparent und inkonsistent.
Was ist Audiojungle?
Audiojungle gehört zu Envato, bzw. dem EnvatoMarket. Zu diesem gehören verschiedene Plattformen, auf denen man Inhalte aus verschiedenen akustischen oder visuellen Bereichen suchen, abrufen und Lizenzen dazu erwerben kann. Die mir bekanntesten Plattformen waren (als ich mein "Experiment" begonnen hatte) Videohive, Themeforest und Audiojungle. Man kann dort in einer (meiner Empfindung nach guten) Suchmaschine seine Inhalte nach gewissen Kriterien suchen und ordnen. Stand 29.11.2022 wird mir auf der Startseite von Audiojungle angezeigt, dass man dort über 1783600 Einträge finden kann. Zum Vergleich: Auf Tagirijus Music befinden sich zu diesem Zeitpunkt 492 Titel.
Warum wollte ich zu Audiojungle?
Die Motivation zu Audiojungle zu gehen entstand durch den Anstoß eines anderen Komponisten. Ich hatte die Hoffnung, dass ich mit Hilfe dieser Plattform mein passives Einkommen vergrößern könnte. Das ist Einkommen, das z.B. durch Tantiemen entsteht. Ich habe im Post Musikhören sollte kostenlos sein bereits eine solche Thematik angeschnitten.
Es reizte mich außerdem, mit dieser Plattform die Möglichkeit zu haben, selbstbestimmt meine Stücke veröffentlichen zu können. Ich konnte entscheiden, wann ich was hochlade und konnte auch alle Metadaten selbst einpflegen. Wann das Stück online kommen würde, entschied letztendlich dennoch Audiojungle, da die es erst annehmen mussten. Es konnte nämlich auch passieren, dass etwas gänzlich abgelehnt wird. Insgesamt ist das technische System zum Hochladen und Einpflegen von Stücken sehr übersichtlich und einfach gehalten, was auch noch ein Pluspunkt für mich war.
Was habe ich auf Audiojungle erlebt?
Nun zum entscheidenden Punkt dieses Posts. In der Zeit vom 18.11.2019 bis zum 20.01.2022 hatte ich auf dieser Plattform 26 Musikstücke und 15 Soundeffekte. Das wirkt auf mich für diesen Zeitraum sehr wenig, ist aber auch der Frustration geschuldet, die ich gegen Ende erfahren habe. Das letzte Stück hatte ich am 04.10.2020 hochgeladen. Somit habe ich in unter einem Jahr in etwa 26 neue Stücke für die Plattform produziert.
Quantität vor Qualität
Was ich früh bemerkt hatte, ist, dass täglich sehr viel neue Musik veröffentlicht wird. Am 29.11.2022 habe ich über den Suchfilter einmal auflisten lassen, wie viele Stücke in der letzten Woche veröffentlicht wurden: 3260 und somit im Durchschnitt 465 pro Tag. Damit erscheinen auf Audiojungle täglich fast so viele neue Stücke, wie mein eigenes Musikarchiv momentan insgesamt fasst. Ich habe keinen Vergleich, ob ich wenig oder viel produziere. Meine Vermutung ist dabei letzteres. Zumindest gehe ich davon aus, dass diese Menge an neuer (täglicher) Musik enorm viel ist.
Wenn ich mir diese Stücke angehört habe, fiel mir immer wieder auf, dass viele Stücke extrem ähnlich klingen und auch mit identischen Metadaten eingepflegt werden. Die Harmonien sind sehr einfach gehalten. Es sind z.B. nicht viele verschiedene Akkorde, stets im einfachen Dur oder Moll ohne Zusätze und zudem auch stets in sehr einfachen und wiederkehrenden Stufen bzw. Funktionen. Das Taktmaß ist fast immer 4/4 und selten mal 3/4. Die Instrumente sind sehr oft Ukulelen mit Klatschen, Glöckchen, eine Rockband mit jemandem, der "Huuuuaa!" ruft, episches Orchester mit einfachen Streichern gespielt im simplen Ostinato oder eine Gitarre mit elektronischem Beat und epischem "corporate" Klang. Alle Titel, die ich eben verlinkt habe, hatte ich anfangs für Audiojungle produziert. Die typischen Audiojungle-Titelnamen werden vermutlich so gewählt, dass sie in der Suche öfter auftauchen. So enthalten die Titel sehr oft Begriffe wie "Motivational, Inspiration, Upbeat, Corporate" oder "Uplifting". Diversität sieht für mich auf jeden Fall anders aus.
Preiskampf
Ein weiterer Punkt, der mir früh ins Auge fiel ist die Preisgestaltung. Man kann als Musiker die Preise seiner Titel selbst festlegen. Im Backend wird einem dann ausgerechnet, wie viel die Plattform davon bekommt und wie viel einem selbst bleibt. Entsprechend gibt es eine Verantwortung seitens der Musiker selbst, die Preise sinnvoll zu gestalten.
Nach einer zweiten Recherche am 18.12.2022 durfte ich feststellen, dass die Preisspanne der 30 angezeigten Titel der "letzten Woche" von 1$ bis 49$ reichte. Im Durchschnitt waren das 17,40$ und im Median 15,50$. Insgesamt erachte ich diese Preise als ungewöhnlich niedrig: So kostet die kleinste Lizenz auf Proudmusic Library z.B. 53,50€ und auf Soundtaxi 35,00€. Bei diesen Plattformen gehen die Preise je nach Lizenztyp dann hoch bis 250€ oder sogar 1284€. Audiojungle stufe ich somit als vergleichsweise günstig ein. Auch habe ich durch die Foren von Audiojungle in Erinnerung, wie andere Musiker sich regelmäßig beschwerten, dass Titel so günstig angeboten wurden.
Ich habe im ersten Jahr, das ich bei Audiojungle war, 98€ verdient. Danach kamen noch einmal kleine Bestellungen rein, sodass ich nochmal danach 22€ verdiente, ehe die Bestellungen dann komplett aufhörten. Was ich daraus gelernt habe, war, dass man durchgehend viel produzieren und veröffentlichen müsste, um überhaupt Verkäufe zu erzielen. Das ging aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Zum einen konnte ich mich nicht (und kann mich auch heute immer noch nicht) darauf einlassen, für mich Qualität zu missachten und einfach "Schrott" zu produzieren. Insgesamt saß ich an allen Musikstücken (inklusive derer Versionen) und Soundeffekten, die ich für Audiojungle produzierte, 80 Stunden. Und in diesen 80 Stunden ist nicht die Zeit des Einpflegens enthalten. Nur daran gemessen wären das bei 80 h Arbeit und 120€ Einnahmen im Endeffekt ein Stundenlohn von 1,50€. Hätte ich 40 h pro Woche in Vollzeit meine Kapazitäten nur in Audiojungle aufgewendet, hätte ich bei dieser Rechnung gerade mal auf 240€ pro Monat kommen können. Entsprechend ist das nicht haltbar gewesen und war auch keine Option für mich. Es war immerhin nur ein Experiment.
Natürlich hätte es auch sein können, dass meine Einnahmen mit der Zeit letztlich doch gestiegen wären. Aber zu welchem Preis? Vielleicht hätte ich irgendwann angefangen immer mehr wie der Rest von Audiojungle zu klingen und hätte auch Titel von mir im Sortiment, die stumpfe Kopien ihrer selbst wären. Richtig würde ich so etwas nicht finden.
Qualitätsicherung ist ein Schein
Audiojungle hat Kuratoren, die hochgeladene Items erst einmal durchhören und auf Qualität prüfen sollen. Diese Kuratoren sind auch selbst Verkäufer und Musiker oder Sounddesigner. Das Problem für mich war, dass diese Kuratoren irgendwann anfingen Stücke abzulehnen. Und das waren Stücke, die meiner Einschätzung nach nicht schlecht waren. Die Rückmeldung beim Ablehnen war durch die Bank weg ein kopierter Text, der in etwa besagte: "Dieses Item entspricht nicht den kommerziellen Qualitätsstandards." Audiojungle hat Richtlinien bezüglich technischer Standards, die ich natürlich streng eingehalten habe. Diese Aspekte hatte ich sowieso mit Leichtigkeit erfüllt.
Was hingegen diese "kommerziellen Qualitätsstandards" sind, gab es nirgends konkret und transparent zu lesen. Es gibt ein FAQ, das Punkte enthält, die es zu vermeiden gilt, damit Stücke nicht abgelehnt werden. So soll ein Stück "nützlich für Kunden" sein. Oder ein Stück soll nicht "so stark komprimiert sein, dass die ästhetische Qualität darunter leidet". Ein Stück soll außerdem "gut konstruiert" oder so "kompatibel" und "anpassbar" wie möglich sein. Was diese Punkte allerdings konkret bedeuten, wird nirgends erwähnt. Für mich sind diese Punkte, wie sie formuliert sind, rein subjektiv und somit nicht verlässlich umzusetzen.
Aus einer Ablehnung lernen konnte ich also nie, da konkrete Indikatoren fehlten. Viel eher war es für mich extrem frustrierend, dass meine Stücke von einer Billig-Musikplattform abgelehnt wurden. Im gleichem Atemzug hörte ich dann immer mal wieder in Neuerscheinungen rein, die gemäß meiner Qualitätsbemessung einfach nur grottenschlecht waren. Dieses Erlebnis war extrem ernüchternd für mich.
Und dann kam ich auf eine Idee. Ich öffnete einfach ein Projekt eines Stücks, das schon einmal angenommen wurde. Dieses änderte ich minimal ab. Ich änderte z.B. das Tempo, die Tonart, die Melodie und hier und dort ganz leicht die Rhythmik. Und das machte ich gleich zwei mal und gab den vermeintlich neuen Stücken auch noch ähnliche Namen. Siehe da: es wurden beide Stücke angenommen!!
Das originale Stück war Uplifting Motivating Ukulele und die Abänderungen waren Motivate Me Please und Cheerful Motivation. Viel Spaß beim Hören und Vergleichen. Auch die Namen sind natürlich totaler Unsinn und einfach nur lächerlich ähnlich. Es war aber den Audiojungle Kuratoren trotzdem gut genug. Als Vergleich hier einige Stücke, die abgelehnt wurden: Future Bass Fun, Hopeful Vibes, Frantic Adventure, Meditative 80s Circles, Halloween Logo oder Ambient City Flight.
Audiojungle rät zudem, dass man auch versuchen sollte, eine gewisse Diversität an Titeln hochzuladen. Das steht komplett im Kontrast mit dem von mir Erlebten - sowohl mit Ablehnungen eigener Titel wie auch den oben genannten ähnlichen Titeln, die es auf der Plattform zu finden gibt. Meine akzeptierten Kopiestücke sind immerhin wortwörtlich Kopien voneinander mit minimalsten Abwandlungen und die abgelehnten Stücke sind hingegen in Genre, Stimmung, Instrumentation und vielen weiteren musikalischen Aspekten sehr vielseitig.
Käufe und Auszahlungen
Ich bin jemand, der sehr gerne genauestens festhält welches meiner Stücke wann für welchen Preis gekauft wurde. Leider gibt es bei Audiojungle keine Benachrichtigung, wenn ein Stück gekauft wurde. Somit musste ich regelmäßig manuell im System nachgucken, wie und was da bestellt wurde. Auch den Preis, den das Stück erzielt hat, muss man mühselig durch diverse Klicks in Untermenüs erst suchen und dann auch noch errechnen.
Dazu kam, dass man mit der Zeit erst das Geld im EnvatoMarket Konto anhäufen musste und es erst ab 50$ ausgezahlt wurde. Richtig dreist ist außerdem die Kontoschließung, die bewirkt, dass Auszahlungen verfallen und man nachher im schlimmsten Fall eine hohe Summe einfach nur verliert. Dieses Handeln empfinde ich als höchst fragwürdig.
Meine Befürchtungen für die Zukunft
Es besorgt mich, dass Audiojungle und ähnliche Plattformen (Pond5 oder ggf. auch Premiumbeat) immer beliebter werden und Käufer sich der Umstände im Hintergrund absolut nicht bewusst sind. Zumindest glaube ich das aus Gesprächen mit anderen Kreativen, die wiederum Musik auf solchen Plattformen lizensieren, rausgehört zu haben. Es wird bereits vieles im Hintergrund für die Kreativen extrem intransparent gehalten. Das erachte ich als eine sehr schlechte Basis für ein faires Geschäft.
Zudem befürchte ich, dass viele Kreative sich dem Druck ausgesetzt fühlen, veröffentlichen zu müssen und die Qualität mehr und mehr ignorieren, nur um massig Content produzieren zu können – was für mich keine Option war. Vor allem könnten vor allem Anfänger lernen, dass es völlig normal sei, diesem Druck nachzugeben und sich unter Wert zu verkaufen oder Qualität zu vernachlässigen. Darin sehe ich zudem die Gefahr, dass immer mehr minderwertige Musik produziert wird, und so die Erwartungshaltung auch des Publikums sinkt.
Darin sehe ich sehr viel Potential für einen extrem ungesunden Wettbewerb unter Kreativen. Ich verstehe und kenne die Angst, seine eigene Existenz nicht mehr finanzieren zu können. Dennoch finde ich es auf lange Sicht absolut nicht richtig sich so einem Preis- und Qualitätsdumping hinzugeben.
Mein Appell
Meine Hoffnung ist, dass ich diesem Phänomen, wenn ich mit meinen Befürchtungen richtig liege, mit Aufklärung und Einblicken entgegen wirken kann. Es ist an sich natürlich total in Ordnung, wenn man auf solchen Plattformen anbietet oder kauft. Ich finde es nur wichtig, dass es einem bewusst ist, was für ein System man damit unterstützt und welche Konsequenzen das für Kreative hat.
Kreativen empfehle ich zu reflektieren, vor allem auf lange Sicht, mit welchen Vertriebspartnern sie kooperieren wollen und welche Alternativen es geben könnte. Ich betreibe mit Tagirijus Music beispielsweise eine eigene Plattform um meine Musik anzubieten. Aber es gibt viele andere Möglichkeiten, auch ohne gleich eine komplett eigene Seite zu erstellen, und verschiedenste Plattformen und Agenturen. Ich möchte z.B. nur noch Verträge mit Agenturen eingehen, die auf mich den Eindruck machen, fair, transparent und konsistent den Künstlern gegenüber zu agieren.