KI und mein Job

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Künstliche Intelligenz wird zunehmend präsenter in unserem Alltag und auch in der Kunst. Ich möchte mit diesem Post der Frage nachgehen, ob zu befürchten ist, dass KI mir meinen Job als Komponist und Produzent streitig machen könnte. Bzw. möchte ich auch meine Gedanken dazu äußern und die Frage klären, ob mir die Entwicklungen Angst machen.

Was ist KI?

Was ist eigentlich dieses KI, von dem immer alle reden? KI steht für künstliche Intelligenz und wird eventuell oft missverständlich genutzt. Man verzeihe mir, dass ich im Verlauf des Posts trotzdem weiterhin "KI" schreiben werde. Denn wenn man an Filme und Fiktion denkt, verbindet man mit KI eventuell schnell Roboter, die die Menschheit vernichten. Also entsprechend denken viele dabei eventuell an komplett selbst denkende Maschinen.

Durch Freunde, die im Bereich Cognitive Science oder Computer Science aktiv sind, habe ich den Begriff "KI" hingegen etwas konkreter definiert kennen gelernt. Der Begriff Machine Learning ist dabei ein entscheidender Faktor. Es ist sozusagen ein Feld der künstlichen Intelligenz. Im Text "What is Machine Learning?" von IBM werden die verschiedenen Bereiche von KI gut eingeordnet und erklärt. Letztendlich werden durchweg Muster gelernt.

Was ist mein Job?

Wenn ich Musik komponiere oder produziere, bediene ich mich bewusst oder (meiner Überzeugung nach) unterbewusst stets an Mustern. Den kreativen Aspekt meiner Arbeit sehe ich oftmals nur darin, passend zum erwünschten Resultat eines Werkes die richtigen Dinge zu kombinieren. Es gilt dann also zu erkennen, was das Ziel sein soll, welche Merkmale es hervorzuheben gilt und welche musikalischen Mittel genutzt werden könnten, um diese Merkmale zu verwirklichen. Zusätzlich gibt es auch stets einen Spielraum des eigenen Geschmacks, aber letztendlich sehe ich mich dabei in Bezug auf Kreativität als jemand der Muster neu kombiniert.

Das mag eventuell etwas lieblos klingen und könnte für einige ein eher ernüchterndes Bild auf die Kunst werfen. Es ist meine momentane Überzeugung, dass Kunst stets nur bekannte Muster aufgreift und neu kombiniert.

Nach dem kreativen Prozess gibt es für mich dann noch den handwerklichen Prozess, also z.B. das Produzieren der kompositorischen Idee. In diesem Bereich wird es noch viel weniger kreativ, wie ich finde. Da geschehen bei mir als Schaffender noch viel mehr bewusste Automatismen, die es immer wieder abzuarbeiten gilt.

Was macht KI heutzutage bereits?

Im Bereich der Musik gibt es bereits Systeme, die Musik komponieren. Bei Aiva.ai kann man z.B. online in einem dortigen Account direkt im Browser neue Melodien in Kombination mit Harmonien generieren lassen und das wird von virtuellen Instrumenten wiedergegeben. Es gibt aber auch für Musikprogramme ein sogenanntes Plugin (also eine Software-Erweiterung) namens OrbComposer, das neue musikalische Inhalte generieren kann. Für die Klangerzeugung gibt es das NSynth Projekt von Google, bei dem ein Synthesizer komplett neue Klänge mithilfe von KI erzeugen kann.

Bekannter dürfte vielen mittlerweile das Erstellen von Bildern durch ein Modell wie z.B. Stable Diffusion sein. Man gibt einen Text ein, wie das Bild aussehen soll und erhält nach einer Renderzeit ein Ergebnis. Letzteres habe ich z.B. bereits selbst verwendet, um das eine oder andere Albumcover generieren zu lassen.

Macht mir das Angst?

Nun zur entscheidenden Frage, ob mir das Angst macht oder ich darin meinen Job gefährdet sehe.

Nein.

Gewisse Dinge in meinem Job (der kreativere Anteil; nicht das Bürokratische - dieser Teil ist noch viel langweiliger!) sind wiederkehrende Prozesse. Prozesse, die durchaus automatisierbar wären. In diesem Bereich sehe ich bereits gutes Potential, dass mir KI diese Prozesse abnimmt. Es würde bedeuten, dass ich noch viel mehr Zeit und Energie in die eigentlich wichtigen und interessanten Aspekte stecken könnte.

Mein Job könnte sich wandeln

Nehmen wir an, dass KI irgendwann den Stand erreicht, mir auch diese interessanteren Tätigkeiten abnehmen zu können. Das wiederum würde für mich bedeuten, dass ich meinen Job einfach noch mehr wandle. Vielleicht würde ich mehr zu einem Koordinator werden. Dann komponiere ich eventuell nicht mehr konkret die Musik, sondern koordiniere Text-Prompts und treffe eine geeignete Auswahl der Ausgaben einer Maschine. Die Frage hierbei wäre dann, was das Auswählen der Ausgaben und Wahl der Prompts für Qualifikationen voraussetzt. Würde es z.B. einem Projekt, für das jetzt Musik generiert werden müsste, dienlich sein, was ich da intuitiv auswähle? Oder müsste ich schon eher reflektiert wissen, wie ich Musik qualitativ bemesse und auf dieser Basis meine Auswahl treffen? In diesem Fall wäre ich weiterhin eine Fachkraft, die eine gewisse Qualifikation als Voraussetzung für diesen Job hat. Anderenfalls könnte der Prozess auch von meinen Kunden selbst getätigt werden. Meine Erfahrung ist, dass ich schon heute eine Mensch gewordene Schnittstelle zwischen Kunden und Musik bin. Oft ist es ein Prozess der Kommunikation zwischen Kunden und mir, um auf eine passende Musikproduktion zu kommen, die möglichst perfekt zum Projekt passt. Wie und ob dieser Kommunikationsprozess zwischen meinen heutigen Kunden und einer zukünftigen Maschine ablaufen könnte, wäre eine weitere Frage.

Vielleicht würde ich auch anfangen gewisse Algorithmen selbst zu programmieren oder Modelle zu trainieren. Wenn der Zugang dazu für mich leicht wäre, sehe ich darin eine Möglichkeit, neue Dinge zu lernen und neue Erfahrungen zu sammeln. Wäre der Zugang hingegen schwer, müsste ich umschulen oder noch weitergehend meinen Job verändern. Eine konservative Sicht auf Änderung, dass alles beim Alten bleiben sollte, finde ich dabei eher kontraproduktiv.

Letztendlich sehe ich in immer besser werdender Technik oft auch eine große Chance. Für mich geht es meist darum, Prozesse zu eliminieren, auf die wir Menschen vermutlich ohnehin keine Lust haben. Wieso also diese Prozesse am Leben erhalten?

Faktor Spaß

Entscheidend finde ich einen weiteren Aspekt: man kann beim Musik-machen oder -umsetzen Spaß haben. Selbst wenn eine Maschine irgendwann die Arbeit machen kann, die ich sonst immer gemacht habe, bedeutet das nicht, dass ich diese Arbeit nicht mehr machen würde. Musik ist dabei ein gutes Beispiel. Warum machen Menschen (z.B. live und miteinander) Musik? Es gibt doch bereits digitale Hilfsmittel, um Musik mit dem Computer zu erzeugen. Teilweise sogar viel zu viele Hilfsmittel. Menschen machen Musik, weil es ihnen Spaß macht!

Dabei gibt es für mich zwei Aspekte, die mir spontan einfallen. Zum einen erkunde ich gerne Neues. Bei meinen Tests und Spielereien mit Stable Diffusion fiel mir auf, wie interessant ich es fand, Prompts leicht abzuändern, um mir andere Ergebnisse von der KI ausgeben zu lassen. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Erkunder, der eine kleine neue Welt nach interessanten Dingen durchsucht. Das hat mir persönlich Spaß gemacht und hat gewissermaßen auch die Neugier in mir gestillt. Ähnlich kann es mir beim Musikproduzieren gehen, wenn ich z.B. mit einem Synthesizer experimentiere um neue Klänge für mich zu finden. Auch musikalische Ideen forme ich als Gedankenexperiment ab und versuche sie umzusetzen, um sie zu hören, weil ich sie mir sonst ggf. nicht hätte vorstellen können. Der andere Aspekt wäre das Zwischenmenschliche, das existiert, wenn man z.B. miteinander live Musik macht. Vielleicht verspielt man sich beim Proben und ein witziger Klang entsteht dabei und man lacht gemeinsam. Eventuell kann man Optimierungsbedarf beim Gegenüber erkennen und Verbesserungen beim Musizieren vorschlagen - vielleicht erhält man selbst vom Gegenüber Tipps. Es kann auch passieren, dass man inspiriert durch die Situation plötzlich ins Gespräch über eher fernliegende Themen kommt.

Für mich ist es also unwahrscheinlich, dass Menschen aufhören selbst Musik zu machen, nur weil eine Maschine das jetzt auch kann. Zumindest kann ich mir noch nicht vorstellen, dass ich gemeinsam mit einer Maschine ins Lachen oder Gespräch komme. Und Neues erkunden (wollen) werde ich vermutlich so oder so im Endeffekt.

Kosten für Kunden

"Aber wenn eine Maschine schneller und günstiger Musik für Kunden machen kann?", könnte man jetzt noch fragen. Dann empfehle ich diese Maschine weiter, wenn sie wirklich passendere Ergebnisse für potentielle Kunden liefert! Es wäre doch eine Doppelmoral, wenn ich einerseits dem Kunden ein optimales Ergebnis liefern möchte, dann aber eine bessere Option vorenthalte, nur weil ich selbst dann diesen Job nicht bekäme. Zudem glaube ich, dass es vielleicht immer noch eine gewisse eigene Note (quasi wortwörtlich) geben wird bei Musikern. Ich setze darauf, dass Musiker beauftragt werden, weil der Kunde deren Stil mag und genau deren Klang möchte. Die Realität (auch aus eigener Erfahrung) sieht oft anders aus, weil da ein Angebotspreis leider über "Auftrag bekommen" oder "eben nicht" entscheiden kann. Aber optimaler finde ich eine Diversität an Klang, weil es Kunden und auch Publikum generell so viel mehr bieten kann. Und in so einem Fall kann der Kunde dann entscheiden, ob "das gewisse Etwas" beim menschlichen Musiker mehr gewichtet werden sollte oder eben nicht - was ich in beiden Fällen legitim fände.

Musik im Wandel

Wenn Musik immer schneller und günstiger zu produzieren wäre, würde das sicherlich die Musik auch noch schneller verändern. Es würde schneller neue Genres geben. Ich könnte z.B. selbst irgendwann eventuell einfach als Text eingeben "Riff einer Metalband gespielt von neun Harfen, einer Tuba, einem Synth und einem Jazz-Drumkit" und hätte umgehend das Jazztalchestra-Dance-Music-Genre erfunden; bzw. erstellen lassen.

Eventuell würde generierte Musik der Gesellschaft auch irgendwann eine Art Spiegel vorhalten können. Einst hoch gelobte Künstler, die im Radio rauf und runter gespielt wurden, würden nun ihren Charme verlieren, weil jedes Kind mit einfachen Textprompts diese Musik selbst generieren lassen könnte. Oder eventuell wäre jeder Radiosender nur noch eine einzige Generierungs-Ausgabe und man wählt sich nach Geschmack und Laune einen gewissen Sender aus? Wäre das gut? Ich fände es zumindest gut, wenn eine Reflektion über die Kunst stattfinden würde und über dem Anhimmeln von Künstlern stehen könnte.

Nachtrag

11.08.2023: Passend zur Thematik fand ich den Artikel "KI kills the Radio Star" der taz.