Mein Problem mit Sample-Libraries

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Beim Produzieren von Musik nutze ich diverse digitale Software-Tools, um das Ergebnis möglichst authentisch klingen zu lassen. Im Bereich der digitalen Klangerzeugung gibt es dabei, meines Erachtens, in den letzten Jahren eine Tendenz der Redundanz. Ich glaube, dass zu viele Resourcen in vermeintlich neue aber im Kern wiederkehrende Produkte gesteckt werden. Das möchte ich in diesem Post einmal konkreter beleuchten.

Prämisse

Um nicht ein echtes Orchester mieten, aufnehmen und im Nachgang editieren zu müssen, bediene ich mich einer Technik, die man Sampling nennt (vgl. Wikipedia). Man muss sich das wie folgt vorstellen: Einzelne Töne eines Instruments wurden aufgenommen und in ein Software-Tool programmiert, sodass ich über mein Keyboard diese Töne wieder mit eigenen Melodien und Harmonien abspielen kann. Solche Produkte nennt man Sample Library. Dabei gibt es welche, die ganze Phrasen aufgenommen haben, andere hingegen einzelne Töne in verschiedenen Lautstärken. Ökonomisch betrachtet spart dies Zeit und Kosten in vielerlei Hinsicht, da - wie erwähnt - kein echtes Orchester benötigt wird. Dabei muss man aber auch bedenken, dass diese Technik Grenzen hat. Echte Aufnahmen von Instrumenten klingen in den meisten Fällen - wenigstens für das geschulte Ohr - stets authentischer als die digitale Kopie.

Ich muss an dieser Stelle auch fairer Weise erwähnen, dass ich ein bisschen voreingenommen bin, was Sample-Libraries betrifft. Entsprechend ist das hier kein wissenschaftlicher lückenloser Post. Ich habe versucht trotzdem so gut es geht diesen Post auf Daten basieren zu lassen, um meine anfängliche Vermutung etwas objektiver überprüfen zu können.

Herkömmlich vs. Innovativ

Ich möchte hier bereits eine Differenzierung vornehmen. Herkömmliche Libraries sind für mich jene, die statische Samples nutzen und nur wenig sogenanntes Scripting nutzen. Scripting wäre eine Art Programmierung, die z.B. Samples abhängig von der Spielart des Users nutzt.

Ein Innovatives Tool ("Library" passt hier nicht mehr, wie ich finde) hingegen basiert in erster Linie auf dem Scripting / der Programmierung. Das kann eine vermeintliche Library sein, die vielleicht nur relativ wenige Samples nutzt und daraus einen Klang prozedural erzeugt. Es könnte aber auch ein komplett generierter Klang sein, der die physikalischen Merkmale eines akustischen Instruments durch Algorithmen versucht zu simulieren. Hierbei entfällt theoretisch der statische Aspekt einer herkömmlichen Library, da Parameter des jeweiligen Algorithmus kontrollierbar sind.

Herkömmlich wäre also alles, was primär die Samples im Mittelpunkt hat, innovativ alles, was die Programmierung im Mittelpunkt hat. Messbar wäre das vielleicht anhand der Größe eines Produkts. Vielleicht gibt ein Anbieter allerdings auch an, eine solche Technologie zu verwenden und man muss nicht einmal auf die Größe achten, um ein innovatives Produkt zu erkennen.

Probleme, die ich vermute

Meine Auffassung ist, dass vor allem für Streichinstrumente extrem viele herkömmliche Sample Libraries auf den Markt zu kommen scheinen. Ich bin täglich in verschiedensten Kanälen unterwegs, um über aktuelle Tools für Musikproduktion informiert zu bleiben. Hin und wieder gibt es dann Ankündigungen zu u.a. neuen herkömmlichen Streicher-Libraries. Ich erachte diese herkömmliche Technik hingegen als zunehmend unzureichend, redundant und altmodisch. Einige Punkte sollen versuchen zu erläutern, warum und was ich konkret als problematisch betrachte.

Mangel an Flexibilität

Die Prämisse ist, dass die primäre Grundlage eines solchen Produkts die statischen Samples sind. Es mag eventuell Libraries geben, die auf diesen Samples ein Script aufgebaut haben, sodass der Klang letztendlich ein bisschen modulierbarer wird. Im Endeffekt bleibt die darunter liegender Grund-Klangerzeugung aber das Sample selbst. Dadurch hat man oft (so meine Erfahrung) nur sehr wenige Parameter, die man kontrollieren kann, um auch den Klang maßgeblich zu variieren. Für verschiedene Spielweisen braucht man dann vor allem verschiedene Instrumente im Musikprogramm (oder sogenannte Keyswitches, mit denen man über eine Note außerhalb des Tonumfangs die Spielart wechseln kann - allerdings binär; also entweder oder). Das wirkt auf mich, als müsste ich auf der Bühne zwei verschiedene Gitarren haben, um einmal Akkorde und einmal einzelne Töne spielen zu können. Ich sehe darin also einen Mangel an Flexibilität, wenn es um die Nutzbarkeit und den Klang des Produkts geht.

Mangel an klanglicher Innovation

Die Klangvielfalt ist technisch gesehen ebenfalls begrenzt, da statische Aufnahmen immer wieder erneut wiedergegeben werden. Der Klangcharakter der Library ist durch Faktoren wie den Raum, in dem die Library aufgenommen wurde, die Positionierung der Instrumente, die Mikrofone, die Nachbearbeitung, etc. ebenfalls meistens festgelegt. Viele Komponisten nutzen diese statischen Samples und produzieren damit ihre Musik. Streng genommen kann es also mitunter sein, dass entsprechend viele Komponisten, die die gleichen Sample-Libraries nutzen, auch vom Klangcharakter her einen ähnlichen Klang aufweisen könnten (also nicht innovativ in meinen Ohren). Hier zu könnte mein andere Blogpost interessant sein: Wie ich Musik qualitativ bemesse. Dort bringe ich Innovation mit Qualität in der Musik in Verbindung.

Mangel an Resourcenfreundlichkeit

Sowohl in ökologischer Sicht, wie auch in ökonomischer Sicht sehe ich hier Schwierigkeiten. Herkömmliche Sample-Libraries sind i.d.R. sehr groß und erfordern eine hohe Bandbreite, um das Produkt runterladen zu können. Auf welchen Servern sind diese Produkte gespeichert? Welchen Strom nutzt der Kunde, während der PC läuft, um die Produkte zu laden? Wenn das Internet langsam ist, kommt auch noch der Faktor Zeit dazu. Letztendlich müssen Libraries auf der Festplatte gespeichert sein, um sie nutze zu können. Zwar mag Festplattenspeicher nicht mehr all zu teuer sein, aber das wäre für mich kein Argument, wenn es doch vermeidbar wäre. Hinzu kommt, dass solche Libraries, um sie optimal und flüssig nutzen zu können, am besten auf einer SSD genutzt werden sollten. Da fängt es dann schnell wieder an teurer zu werden, wenn der Festplattenspeicher einmal eng werden sollte!

Man könnte jetzt entgegen bringen, dass innovative Tools statt Festplatten- und RAM-Platz eher Rechenleistung und somit kontinuierlich Strom benötigen. Neue CPUs verbrauchen hingegen weniger Strom als ältere. Dazu kommt auch, dass solch innovativen Tools sich weiterentwickeln und deren Programmierung (hoffentlich) stets optimiert wird.

Übersättigung

Neben den bisher eher technischen Aspekten sehe ich auch ein Problem in der Übersättigung des Markts. Wenn ich als Komponist nach neuen Tools Ausschau halten möchte, oder sogar konkret eine bessere Streicher-Library suche, bin ich sicherlich sehr schnell überfordert. So bietet der Markt, meiner Vermutung nach, viel zu viele herkömmliche Libraries. Wie soll man sich bei diesem Überangebot zurecht finden? Problematisch wird vor allem, dass man in den meisten Fällen ein solches Tool vor dem Kauf nicht testen kann. Man investiert also Geld auf Risiko und auf bloßem Vertrauen in die Klangbeispiele der Anbieter (leider auch bei innovativen Alternativen!).

Vermutung mit Zahlen prüfen

Um die vermuteten Probleme mit Zahlen zu prüfen, habe ich versucht aktuelle Zahlen zu recherchieren. Ich habe dabei Zahl der Anbieter, deren Streicher-Library Produkte und zugehörige Zahlen wie Größe und Preise dieser Produkte gezählt. Zum einen bin ich auf KVR gegangen, um nach aktuellen neuen Sample-Libraries für Streicher zu suchen. Diese Seite ist meiner Erfahrung nach immer ein guter Anhaltspunkt für aktuelle Musiktools. Dort konnte ich aktuelle Anbieter ausfindig machen. Dazu habe ich auch andere Entwicklerseiten besucht, die ich mit der Zeit kennen gelernt habe.

Zur Erinnerung: ich möchte unterscheiden in herkömmlichen und innovativen Streicher-Libraries. Die Unterscheidung ist oben noch einmal nachzulesen.

Tabelle: herkömmliche Streicher-Libraries

Alle Links in der Tabelle wurden am 12.09.2022 besucht. Ich habe versucht die Anzahl der Produkte, benötigten Festplattenspeicher und den Preis zu ermitteln. Zudem habe ich den Preis pro Gigabyte Samples errechnet. Das Recherchieren war teilwesie schwierig, weil die Shops sehr unterschiedlich und teilweise unübersichtlich aufgebaut sind. Einige Produkte musste ich leider auslassen, da nicht ersichtlich war, wie viel Streicher-Samples im Produkt enthalten sind und auch der Preis war nicht transparent gelistet. Darüber hinaus gibt es noch weitaus mehr Anbieter von Streicher-Libraries. Es handelt sich hierbei nur um eine Auswahl aus den aktuellen Libraries gemäß der KVR Suchanfrage und aus Anbietern, die mir spontan eingefallen sind. Der Link zur Quelle ist stets der Entwicklername. Der Preis ist gemäß des Wechselkurses an diesem Tag in Euro umgerechnet.

AnbieterProdukteGrößePreisGB/Produkt€/Produkt€/GB
Heavocity138 GB540 €38 GB540 €14,21 €/GB
Strezov Sampling6221 GB1172 €37 GB195 €5,30 €/GB
Impact Soundworks284 GB470 €42 GB235 €5,60 €/GB
Native Instruments9296 GB2491 €33 GB277 €8,42 €/GB
VSL 1, VSL 25?*1441 GB4335 €288 GB867 €3,00 €/GB
Orchestral Tools7686 GB1499 €98 GB214 €2,19 €/GB
Cine Samples7>155 GB*1814 €22 GB259 €11,70 €/GB
Spitfire Audio>26*>2641 GB*9334 €*102 GB359 €3,53 €/GB
8Dio341120 GB5834 €33 GB172 €5,21 €/GB
Audiobro2170 GB933 €85 GB467 €5,49 €/GB
Chris Hein697 GB1474 €16 GB246 €15,20 €/GB
Musical Sampling312 GB736 €4 GB245 €61,33 €/GB
Soundiron223 GB198 €12 GB99 €8,61 €/GB
Summe1106984 GB30830 €
Durchschnitt8,46537 GB2372 €62 GB321 €11,52 €/GB

*Der jeweilige Shop war nicht transparent genug, die nötigen Zahlen zu entnehmen. Anzahl der Produkte, die Größes des Produkts oder auch der jeweilige Preis waren teilweise nicht einmal gegeben. Entsprechend ist die Angabe hier wage gehalten.

Tabelle: innovative Streicher-Tools

Alle Links in der Tabelle wurden ebenfalls am 12.09.2022 besucht. Die Daten sind die gleichen wie in der oberen Tabelle. Hier gilt ebenfalls: es kann sein, dass es noch weitere Anbieter dieser Tools gibt, mir aber nicht bekannt sind oder ich sie einfach nicht finden konnte. Allein der Fakt, dass ich Probleme hatte, noch mehr solche Anbieter zu finden (falls es welche gibt), ist für mich ein schlechtes Zeichen. Es lässt mich vermuten, dass diese Technik weniger verbreitet ist. Der Link zur Quelle ist auch wieder der Entwicklername und die Preise sind gemäß des Wechselkurses an diesem Tag in Euro umgerechnet.

AnbieterProdukteGrößePreisGB/Produkt€/Produkt€/GB
Sample Modeling15 GB299 €5 GB299 €60,00 €/GB
Audio Modeling41 GB480 €0.25 GB120 €480,00 €/GB
Expressive E30,05 GB147 €0.014 GB49 €2940,00 €/GB
Synful Orchestra10,16 GB*472 EUR €0.16 GB472 €2950,00 €/GB
Aaron Venture**1? GB393 €? GB393 €? €/GB
Summe106,21 GB1791 €
Durchschnitt21 GB358 €1 GB267 €1286,00 €/GB

*Die Größe des Produkts kenne ich, da ich das Produkt besitze. Auf der Website steht nichts zur Größe.

**Das Produkt ist leider noch nicht erhältlich. Ich wollte es dennoch auflisten, um zu zeigen, dass es noch einen weiteren Anbieter mit innovativer Technik gibt.

Auswertung der Tabellen

Ich möchte nun noch einmal in Hinblick auf folgende Fragen bzgl. herkömmlicher Streicher-Libraries die Tabellen auswerten:

  • Gibt es eine Übersättigung des Markts?
  • Gibt es einen Mangel an Resourcenfreundlichkeit?
  • Gibt es einen Mangel an klanglicher Innovation?
  • Gibt es einen Mangel an Flexibilität in der Produktnutzung und dem Klang?
  • Wie transparent ist der Markt hier?

Ich werde der Einfachheit halber auch nur noch von Herkömmlichem (obere Tabelle) und Innovativem (untere Tabelle) schreiben.

Auswertung: Übersättigung

Wenn man beide Tabellen vergleicht, sollte bereits auffallen: es gibt 13 Anbieter für Herkömmliches und nur 5 Anbieter für Innovatives. Unter den zuletzt genannten Anbietern befinden sich zudem einer, der seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist. Entsprechend kann man sagen, dass es laut den Tabellen sozusagen mehr als doppelt so viele Anbieter für Herkömmliches wie für Innovatives gibt. Mein Gefühl sagt mir, dass bei weiterer Recherche das Verhältnis noch intensiver ins Ungleichgewicht gelangen würde.

Zählen wir nun die bloßen Produkte der Tabellen erhalten wir 110 Produkte für Herkömmliches und 10 für Innovatives. Hier gibt es also mehr 11 mal so viel Herkömmliches wie Innovatives. Auch die Betrachtung von Produkten pro Anbieter liegt mit 8,46 zu 2 Produkten im Ungleichgewicht. Ich finde, dass man entsprechend schon sagen kann, dass es ein extremes Überangebot an Herkömmlichem gibt.

Auswertung: Resourcenfreundlichkeit

Für die Resourcenfreundlichkeit möchte ich zunächst die digitale Dateigröße der Produkte betrachten. Auch hier ist Herkömmliches mit 6984 GB gegenüber dem Innovativem mit nur 6,81 GB auffällig mehr. Selbst die GB Größe pro Produkt zeigt hier, dass 62 GB einem einzigen Gigabyte gegenüberstehen. Würde ich Resourcenfreundlichkeit nur anhand der Größe messen, wäre Herkömmliches also entsprecht auffällig unfreundlich in Resourcennutzung.

Fairer Weise möchte ich erwähnen, dass auch die Rechenkapazität bzgl. CPU eine Rolle spielt. Meiner eigenen Erfahrung nach ist hier die Resourcennutzung von Innovativem meist deutlich höher. Leider lässt sich dieser Punkt für mich nur schwer testen, da ich nicht alle aufgezählten Produkte besitze. Ich kann hier nur mit einem extrem groben und spontanen "Benchmark" aufwarten:

Ich vergleiche Produkte, die ich selbst mit meiner Technik (i9 9900K) testen kann. Dabei lasse ich hohe Streicher ein Staccato-Motiv spielen und betrachte dabei die CPU-Nutzung, die mir mein Musikprogramm Reaper ausgibt.

Herkömmliches:

ProduktCPU-Nutzung
Musical Sampling Adventure Strings3,6%
Audiobro LA Scoring Strings 2 Lite2,7%
Durchschnitt3,15%

Innovatives:

ProduktCPU-Nutzung
Sample Modeling Strings11,6%
Synful Orchestra1,8%
Audio Modeling SWAM Viola11,6%
Durchschnitt8,33%

Würde man diesem spontanen Mini-Benchmark vertrauen, könnte man sagen, dass Innovatives etwas mehr als doppelt so viel CPU-Nutzung benötigt. Entsprechend kann man jetzt überlegen, wie man das gewichtet. Ich stelle hier immerhin technisch gesehen erst einmal 62-fache Festplatten- und Bandbreiten-Nutzung gegenüber zweifacher CPU-Nutzung.

Meine Hoffnung ist, dass für Innovatives die Programmierungen besser und die CPUs effizienter werden. Was die Datengröße von Herkömmlichem angeht, erlebe ich eher, dass solche Produkte immer größer zu werden scheinen.

Auswertung: klangliche Innovation

Herkömmliches hat meistens eine sogenannte Patch-Liste (Beispiel Adventure Strings). Darin steht dann welche Spielweisen für das Produkt aufgenommen und für den User abspielbar sind. Solche Listen sind für Innovatives eher nicht nötig, da diese Produkte solche Spielweisen durch die Spielweise im Musikprogramm live zulassen. D.h. man kann da z.B. ein Triller mit schnell wechselnden Noten selbst einspielen und muss dabei nicht auf einen aufgenommenen Triller zurückgreifen. Mehr diesbezüglich unter dem Punkt Flexibilität.

Betrachtet man nun bei Herkömmlichem die Patch-Listen, sind meist stets "Legato / Sustain, Spiccato, Staccato" enthalten, manchmal auch "Pizzicato, Tremolo, Trills". Also sind es immer lange Töne, im Legato gespielte Töne, kurze Töne, manchmal auch gezupft, etc. Ohne alle Produkte direkt miteinander vergleichen zu können, möchte ich dennoch anzweifeln, dass Legato von Produkt A erheblich anders als das Legato von Produkt B klingen mag. Auch dass immer die gleichen Spielweisen angeboten werden, ist meines Erachtens wenig innovativ. Es gibt da auch Ausnahmen, wie z.B. die CAGE Strings von 8Dio. Hier enthält das Produkt nicht einmal Legato oder Staccato Patches. So etwas mutet mir dann schon eher innovativ an. Da dieser Anbieter mit 34 Produkten aufwartet, ist das dann aber auch wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein für mich.

Innovatives lässt in der Regel da viel mehr Spielraum zu, wodurch man zu einem noch eigenerem Klang kommen kann. So kann man in Sample Modeling Strings viele Parameter einstellen, um den Klang des Instruments individuell zu gestalten. So etwas wäre mit bloßen statischen Samples eher schwierig wenn nicht gar undenkbar.

Ich muss aber auch anmerken, dass Spielweisen wie Pizzicato bei Sample Modeling Strings ebenfalls über sogenannte Keyswitches zu wechseln sind. Demnach verhält sich diese Library an dieser Stelle fast wie eine herkömmliche Library.

Auswertung: Flexibilität

Damit kommen wir auch direkt zum Punkt der Flexibilität. Die eben genannten Einstellungsmöglichkeiten von Innovativem fehlen, meiner Erfahrung nach, in Herkömmlichem stets gänzlich. Allerdings ist die Dimension an Möglichkeiten der Einstellung nicht in allen innovativen Produkten gleich. So erinnere ich mich (allerdings nicht auf Streicher bezogen; dennoch gut vergleichbar für den Aspekt), dass ich in WIVI Brass ebenfalls Werte ändern konnte, um das Instrumentr größer oder kleiner zu machen. In Aaron Venture Infinte Brass hingegen gibt es solche Möglichkeiten eher nicht. Beide Produkte zählen zu den innovativen Tools.

Wie bereits erwähnt gibt es aber auch Spielweisen an sich. In Herkömmlichen sind diese aufgenommen und abspielbar. In Innovativem hingegen direkt selbst im Musikprogramm spielbar. Dadurch ist es mitunter möglich einen Triller in der Geschwindigkeit zu variieren, wohingegen bei Herkömmlichem diese durch die Aufnahme festgesetzt ist. Auch lässt sich in Innovativem ein Vibrato variabel einstellen. Herkömmliches kann hier höchstens zwei separate Samples hin und her mischen.

Auswertung: Transparenz

Gucken wir uns wieder einmal die ersten Tabellen an. Ich habe da einmal versucht einen Preis pro Gigabyte zu errechnen. Diese Preise schwanken extrem. So bietet z.B. Spitfire ein Produkt mit 1,71 €/GB an. Der selbe Anbieter hat aber auch ein Produkt mit 19,15 €/GB im Sortiment. Bei 8Dio geht der Preis sogar teils bis 77,82 €/GB in die Höhe. Das bedeutet, dass wir bereits innerhalb des Herkömmlichen Preisunterschiede mit einem Faktor von 45 haben.

Dieser Faktor ist bei Innovativem allerdings mit fast 50 noch etwas größer. Auch die GB Preise für sich sind da mit teils bis zu 2950 €/GB enorm im Vergleich. Das ist allerdings der darunterliegenden Technik geschuldet. Denn diese Produkte haben ihren Kern in der Programmierung und eben nicht in Samples. Dadurch besteht die Größe des Produkts in der Regel auch in der reinen Programmierung. Bei Herkömmlichen hingegen wird ja immerhin dem Sample selbst und der Größe an Datenmengen ein finanzieller Wert zugeschrieben.

Vielleicht wäre es denkbar die CPU Nutzungen von Innovativem gleichermaßen zu vergleichen. Da gäbe es gemäß meines Mini-Benchmarks eine Spanne von 1,8% bis 11,6% und somit einen Faktor von knapp über 6 im Unterschied. Allerdings erscheint mir diese Betrachtung zunehmen seltsam. Immerhin wirbt Herkömmliches meiner Empfindung nach oft mit der unfassbaren Größe an Datenmengen. Als würde man mit möglichst großen Zahlen möglichst viele erreichen wollen, um das Produkt verkaufen zu können. Seltsamer wäre es mit großem CPU-Bedarf zu werben.

Fazit

Ich gestehe, dass ich hier ein bisschen emotional an die Thematik gehe. Den meisten Anbietern unterstelle ich, dass sie in erster Linie profitorientiert handeln und kein Interesse haben wirklich etwas Neues (also etwas Innovatives) auf den Markt bringen zu wollen. Es gibt ein neues Produkt, das so und so viele Patches oder Samples hat (meiner Empfindung nach muss auch immer "deep sampled" dabeistehen und eine möglichst große Gigabyte-Zahl). Und das hat dann "striking realism" oder "true emotions" oder ist "next generation deep sampling". Dieses Buzzword-Bingo kann ich persönlich so absolut nicht mehr ernst nehmen. Auch frage ich mich, ob die Anbieter selbst davon überzeugt sind, dass sie da wirklich etwas Innovatives machen, oder ihnen das einfach egal ist und sie sich gerne mit an den Buzzword-Bingo-Tisch setzen. Als Komponist und somit potentieller Kunde fühle ich mich zumindest eher auf's Korn genommen.

Außerdem glaube ich nicht, dass die Zukunft in dieser - meiner Meinung nach - von Marketing-Techniken verseuchten Landschaft an Produkten stecken sollte. Ich erachte bereits die Techniken der herkömmlichen Produkte als über-ausgeschöpft. Die innovativen Ansätze, die ich hier ebenfalls gelistet habe, sollte es viel mehr und öfter geben. Mal abgesehen davon, dass mir auch der "Marketing-Auftritt" der entsprechenden Anbieter weitaus weniger negativ auffällt - falls sie denn überhaupt einen solchen Auftritt haben. Die Videos von Aaron Venture sind z.B. in der Regel nur Bildschirmaufnahmen einer Produktion, die somit Klang und ein potentielles Projektbild (im Musikprogramm) zeigen. Sicherlich wird hinter diesen Anbietern weniger Geld stecken, oder - meine gutgläubige Hoffnung - die Gelder werden sinnvoller in die Innovation und die technologische Forschung gesteckt.

Äußerst bedauerlich finde ich, dass Wallander Instruments (oben nur für einen Vergleich erwähnt; die Firma hatte leider nie Streicher) und Synful zwei Firmen sind, die entweder so nicht mehr wirklich existieren (Copyright von Synful ist mit 2006 angegeben), oder sich zumindest stark umorientiert (Wallander macht jetzt Noteperformer) haben. Dabei waren diese Produkte nicht nur klein (< 1 GB!) sondern hatten auch eine sehr niedrige CPU-Nutzung und waren somit allumfassend resourcenfreundlich. Der Klang war dabei natürlich nicht so authentisch, wie von aktuellen Produkten (vgl. Aaron Venture, Sample Modeling, Audio Modeling). Aber ich frage mich, was noch hätte aus diesen Produkten werden können.

Insgesamt erhoffe ich mir von den großen Anbietern der herkömmlichen Produkte, dass sie irgendwann doch noch die Kurve bekommen und sich in das Gebiet der innovativen Produkte wagen. Ich finde, dass in diesen Produkten die Zukunft liegen sollte, weil sie Komponisten einfach mehr Möglichkeiten und Flexibilität bieten. Weg von statischen Samples, hin zu eher prozeduraler Klangtechnik.